Glossa Editrice
copertina 9788871053936

Associazione Teologica Italiana (ed.)

"Ogni uomo vedrà la salvezza di Dio" (Lc 3,6). Sulla soteriologia cristiana

Recensioni

  • Recensione di Ulli Roth

    06 giugno 2019

    „Ogni uomo vedra la salvezza di Dio" (Lc 3,6). Sulla soteriologia cristiana, hg. v.
    Riccardo Battocchio / Roberto Repole. — Milano: Glossa 2017. (VIII) 343 S. (Forum ATI, 16), kt € 26,92 ISBN: 978-88-7105-393-6

    "Theologische Revue" Jahrgang 115, Heft 6 (2019) 498-500. 


    Das Schreiben der Glaubenskongregation Placuit Deo vom 22. Februar 2018 hat das Thema der Erloesung wieder in Erinnerung gerufen, wenn auch mit einer Sprache und einem Anliegen, das weder die Außenstehenden noch den einfachen Glaubigen von heute so einfach abzuholen vermag. So bedrängt und gejagt sich die Menschen in der Komplexität der vernetzten Welt des 21. Jh.s auch fühlen mögen, gerade auch die in den wohlhabenden Laendern der ehemaligen Ersten Welt, und so willig sie momentan Zuflucht in einfachen Lösungsversprechen populistischer Marktschreier suchen, religiose Erlösungsantworten haben es zumindest in der westlichen Kultur gelinde gesagt schwer. Wie soll man aber dann von jenem Heil Gottes sprechen, das nach dem Zeugnis des NT ein jeder Mensch sehen soll (Lk 3,6)? Dieser Frage hat sich der 24. Kongress der Associazione Teologica Italiana (ATI) vom 31. August bis zum 4. September 2015 in Assisi angenommen und gibt mit diesem Sammelband Einblick in den Diskussionsprozess. Die Einleitung verweist auf den langen Weg, auf den sich die ATI mit diesem Thema begeben hat. Schon die Tagungen in Rom im Jahr 1975 und dann v. a. wieder 2003 hatten sich der Aufgabe angenommen, die auch dieser Band darin sieht, „zu versuchen, wenn auch von ihrem Wesen her, vorlaufige Denk- und Sprachformen zu entwickeln, die es allen, die die christliche Grunderfahrung leben, und nicht nur diesen, erlauben, zwischen Nicht-Erlösung und Erlösung, zwischen dem, was in unterschiedlichen Weisen und zu unterschiedlichen Zeiten von der Erlösung zeugt, und den immer möglichen Trugbildern einer Pseudo-Erlösung zu unterscheiden, seien diese weltlich oder religiös" (VIII). Das Thema wurde dann auch für so wichtig befunden, dass der Nachfolgekongress vom 4. bis 8. September 2017 in Bologna es unter dem Titel „Dio e la sua Salvezza. Il dramma della storia e il compimento della libertà" weiterverfolgt hat. Dessen Beitrage erschienen im April 2019.

    Die zwölf Aufsätze von 2015 decken dabei nicht alle damaligen Tagungs-beiträge ab, dokumentieren aber so schon nicht nur die Breite, sondern v. a. die Ernsthaftigkeit und die Energie, mit der man sich dieses Themas angenommen hat. Dabei werden die Fragestellungen in diachroner Perspektive von gnostischer Erlösungslehre über Patristik and Scholastik bis in die jüngste Gegenwart geführt, ohne dass eine strenge Systematik oder gar Vollständigkeit angestrebt wird. Aus der Fülle der Ideen und Gedanken dieses Sammelbandes kann nur auf einige ausgewählte Punkte aufmerksarn gemacht werden. Nach einer knappen rung in die Geschichte der Beschäftigung mit diesem Thema durch die ATI von Roberto Repole startet Selvono Petrosino mit dem Versuch einer Gegenwartsanalyse. Dazu greift er auf verschiedene Philosophen des 20. Jh.s zurück, darunter Levinas, Cassirer, Ricoeur und Zizek. Das Ergebnis ist ernüchternd, was die sog. westliche Welt betrifft. Der Abschied vom Menschen als „Subjekt” resultiere in einer Konzentration auf sich, die geradezu allergisch aufjeglichen Anspruch von aussen oder auch innen reagiere, sich vielmehr selbst schon immer als Opfer von anderem oder anderen wahrnehme. Eine Erlösungsbotschaft käme da wie eine neue Zumutung daher, nicht, weil man sich wie vielleicht in den Ideologien des 19. oder 20. Jh.s selbst zu erlösen vermag, sondern dieses Individuum „fühlt kein Bedürfnis, gerettet zu werden; diesem Subjekt, dem der Sinn für ein Zuwenig und ein Zuviel fehlt, kann egal welche Idee von Erlösung nicht einmal für einen Augenblick in den Sinn kommen” (30). Diese Situation des A-Religiösen muss die Theologie heute in den Blick nehmen, wenn sie verstanden werden will. Ob dieser religiöse Sinn aber ausfällt, weil sich der Mensch heute „tutto-pieno” fühle, zumindest immer wisse, was er begehre (29), dürfte aber zu bestreiten sein. Vielleicht ist es auch einfach die blosse Überforderung angesichts des Alltäglichen.

    Diese Gegenwartsanalyse greifen dann mehrere Aufsätze auf. Andere bleiben eher in der historischen Spurensuche. Eine lange Darstellung Aldo Magris' entwickelt das gnostische Erlösungskonzept. Angelo Segneri stellt umfassend die Christologie des Apollinaris von Laodizea urn das Axiom „was nicht angenommen ist, ist nicht erlost” dar (61-114). Danach orientieren mehrere Aufsätze über gegenwärtige Diskussionen zur Soteriologie, etwa zur Befreiungstheologie anhand von J. Sobrino, den in Placuit Deo verhandelten Konzepten von Neognostizismus und Neopelagianismus in den Veroffentlichungen Papst Franziskus', Überlegungen zum Heil ausserhalb des Christentums oder zum Gedanken der Apokatastasis. Als Autoren werden dabei u. a. E. Schillebeeckx, J. Werbick, G. Rota, G. O'Collins, W. Kasper, R. Panikkar, B. Sesboüe, R A. Gramaglia, R. Mancini, G. Canobbio, B. Gude oder J.-L. Nancy eingebracht. Besonders die z. T. sehr produktiven italienischen Autoren seien der Lektüre empfohlen. Inhaltlich wird immer wieder der Opfergedanke hinterfragt, der nur eines der ntl. soteriologischen Modelle darstelle (284), dort schon „spiritualisiert” werde (287) und dessen Unerlässlichkeit für die Theologie heute nicht ausgemacht sei, schwanken doch die Deutungen zwischen Affirmation, Problematisierung und deutlicher Ablehnung (288-296).

    Dem Charakter eines Sammelbandes mit Tagungsbeitragen entsprechend darf man in diesem Buch keinen geschlossenen Entwurf einer heutigen Erlösungslehre aus katholischer Perspektive erwarten. Vielmehr geben die verschiedenen Aufsatze einen guten Einblick in die entsprechenden Diskussionen in der italienischsprachigen Theologie and können in ihrem Gesamtpanorama zu einer entsprechenden Weiterarbeit anregen oder gar den Blick für die eine oder andere Problematik schärfen. Hervorzuheben ist die Internationalität der behandelten oder zitierten Literatur. Vielfach stehen dafür schon italienische Übersetzungen zur Verfügung. Interessant ist auch, dass manche Autoren, die in der deutschsprachigen Theologie eher schon der Vergangenheit angehoren, wie E. Schillebeeckx, hier immer noch direkt ins theologische Gespräch gebracht werden. Das weitet nicht nur den Blick. Es macht vielleicht auch deutlich, dass die theologischen Anliegen der Konzilsgeneration noch nicht eingelost worden sind. Manchmal fehlt es aber auch an aktueller Literatur, wie etwa bei der Kritik am Opfer die Arbeit von Joachim Negel (Ambivalentes Opfer? Studien zur Symbolik, Dialektik und Aporetik eines theololschen Fundamentalbegriffs, Paderborn u. a. 2005) oder zu Anselm von Canterbury. Leider fehlt dem Buch jeglicher Apparat und die Beiträge sind kaum verbunden. So muss man das Werk als das nehmen, wie es von der Entstehung her war: der ernst gemeinte Aufruf im Sinne einer Momentaufnahme, unter den gegenwärtigen unübersichtlichen Herausforderungen eine zentrale, doch schon immer schwer zu greifende biblische Botschaft ins Gespräch zu bringen, weil es hier um Grundsätzliches geht, nämlich den Menschen vor sich und vor dem Angesicht Gottes. In dieser Hinsicht ist der Sammelband ein wichtiges Beitrag, zukünftige Unternehmungen sollten aber um mehr Geschlossenheit bemüht sein, damit die Ertrage auch von bleibendem Wert sein können.

    Koblenz                                                                                                                                                                      Ulli Roth